Wenn Geld die Demokratie ruiniert: Thore Hansens Banken-Thriller „Quantum Dawn“

Geschrieben am 19. März 2015 von Paul-Josef Raue in Krimis.

Thore D. Hansen erzählt in seinem Thriller „Quantum Dawn“ eine Verschwörungs-Geschichte vom Weltuntergang durch Algorithmen und Machtgier. Am Ende siegt eine Schwarz-Weiß-Sicht auf die moderne Welt

Der Leiter der Börsenaufsicht in London, einem der bedeutendsten Finanzplätze der Welt, schaut auf seinen Bildschirm und gerät in Panik: Ist das der lang erwartete Zusammenbruch? Sind die Handelssysteme manipuliert?

Ja, sie sind manipuliert. Die weltweiten Finanzsysteme sind eingestürzt. Da alle Börsen mit allen vernetzt sind, ist der Zusammenbruch offensichtlich das Ende der uns bekannten Zivilisation.

So endet der Thriller des Soziologen und Journalisten Thore D. Hansen, der in Österreich lebt; er erlebte die Finanzkrise als Berater von zwei europäischen großen Banken, wie aus seinem Lebenslauf hervorgeht.

Der Weltuntergang ist ein beliebtes Thema, seitdem Menschen schreiben und lesen und sich ängstigen: Die grausigsten Bilder erfand der Autor der Apokalypse in der Bibel, die dunkelsten Ahnungen vom Ende der Welt trieben Martin Luther um, und Frank Schätzing jagt seine aufgeklärten Leser auf tausend Seiten „Der Schwarm“ durch Naturkatastrophen von giftigen Quallen bis zu Tsunamis, die das Ende der Menschheit bedeuten.

Heute brauchen die Menschen nicht mehr die Natur, um sich ihren Untergang auszudenken: Sie schaffen es mit Machtgier und Algorithmen. So jedenfalls konstruiert es Thore D. Hansen und bedient sich dabei Verschwörungstheorien, wie sie in Pegida-Kreisen populär sind. Dafür steht im Buch die Scotland-Yard-Polizistin Rebecca Winter, die für den deutschen Agenten Eric Feg die Welt in Schwarz und Weiß einteilt. „Eine solche Weltsicht versperrt den Blick“, denkt sich der deutsche BND-Mann, „beschränke die Fähigkeit, einen Menschen in seiner Kompliziertheit zu erfassen.“

Am Ende behält die Schwarz-Weiß-Weltsicht die Oberhand: Der Raubtier-Kapitalismus frisst seine Kinder.

Thore D. Hansen versucht zwar, die komplizierten Mechanismen der Finanzwelt verständlich zu machen und die Herrschaft der Algorithmen zu beschreiben. Aber hängen bleibt beim Leser: Es ist alles schon zu spät. Bill Gates, Warren Buffett und die Super-Milliardäre haben längst das Kommando übernommen, den Übergang von der Demokratie in die Diktatur der Wirtschaft vollzogen. Zudem ist schon jeder Mensch durchschaubar, bis in seine Gefühle hinein, und jeder Politiker manipulierbar oder gefügig.

Warum liegen solche Geschichten derzeit so im Trend? Nach der Finanzkrise, dem Banken-Desaster und den NSA-Enthüllungen glauben immer mehr Menschen alle möglichen Verschwörungen nach dem Muster: Da wird schon etwas dran sein!. In der Tat ist immer etwas dran, aber eben nur: etwas. Wer spannende Lektüre sucht und tiefer in die komplizierte Materie der Finanzen einsteigen will, der ist mit Robert Harris‘ Thriller „Angst“ von 2011 besser bedient. Zudem erzählt Harris seine Geschichte zu Ende.

Bei Thore D. Hansen endet die Geschichte mit dem Satz eines Händlers auf der Frankfurter Börse, der zu einem Kollegen schaut: „Komm! Wir hauen besser ab, bevor die Menschen die Paläste stürmen.“ Es folgt nur noch ein „Memo“ für die UN-Generalversammlung: „Für die westliche Welt besteht das Risiko einer völligen Destabilisierung der Gesellschaften.“

Was wird aus den beiden Hauptfiguren des Romans, aus Rebecca und Eric? Was wird aus der leisen Romanze? Nichts. Der Roman endet, als wäre die Erde eine Wüste geworden. So unbarmherzig ist selten ein Autor mit den Erwartungen seiner Leser umgegangen: Ein Buch ohne Ende – sei es ein Happy End oder eine Tragödie – könnte man als Zumutung bezeichnen.

Dennoch – wer einen spannenden Thriller lesen will mit reichlich Morden und Verwicklungen, mit undurchsichtigen Typen und fiesen Charakteren, der wird unter einer Voraussetzung gut bedient: er muss das Buch in einem Zug lesen, sonst schwirren die Namen in seinem Kopf. Und wie so oft bei Thrillern: Wäre das Buch um die Hälfte kürzer, wäre das Vergnügen des Lesers doppelt so groß.

Thore D. Hansen: Quantum Dawn, Europa-Verlag, 463 Seiten, 16,99 €

1 Kommentar

  • Vielen Dank für den Spoiler…. manche Leute sollten wirklich überlegen die Finger vom Netz zu lassen.

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